Besuch bei den Oelsnitzer Gartenkindern
Weil das Kindergartenprojekt der Kleingartensparte „Frisch Grün" Vorzeigecharakter hat, haben sich die Kreisverbands-Chefs der Kleingärtner des Freistaates gestern im Lehr-Garten umgeschaut.
VON VIOLA HEIDRICH
OELSNITZ - Die Neuoelsnitzer sind Sachsens erste Kleingärtner gewesen, die leer stehende Gärten zu einem Lehr-Garten für Kinder im Vorschulalter umnutzten. Inzwischen gibt es Nachahmer, aber das 2008 gestartete und seit 2009 mit einer Vereinbarung untermauerte Projekt der Kleingartensparte „Frisch Grün" hat nach wie vor Vorzeige-Charakter. Und so lud Präsident Peter Paschke die Geschäftsführer der 47 Mitgliedsverbände des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner (LSK) in die Neuoelsnitzer Anlage ein, um sich darüber zu informieren.
Mittel gegen Leerstand
„So etwas belebt die Vereine, es kommen Kinder in die Anlage, und manchmal mobilisieren diese die Eltern, eine Parzelle zu übernehmen", erklärte Paschke. Denn Leerstand sei nach wie vor ein Problem vieler Kleingartenvereine, wenngleich er in den vergangenen vier bis fünf Jahren eine positive Entwicklung beobachtet habe. Neben der Umnutzung zum Lehr-Garten entstünden auch Begegnungs- und Fachgärten. 782 vorher leer stehende Parzellen seien auf diese Weise im Freistaat einer neuen Nutzung zugeführt worden, sagte er. Insgesamt gehören zum Verband rund 4000 Vereine mit 215.000 Parzellen.
Während mit Schulklassen schon länger gearbeitet wird, würden zunehmend auch Kindergärten als Partner gesucht. Auch Hans Jürgen Sroka, Vorsitzender des Regionalverbandes Obererzgebirge, ist von derartigen Projekten überzeugt. In seinem Verband arbeite beispielsweise der KGV „Sonnenleite" Annaberg-Buchholz mit dem Kindergarten „Buchholzzwerge" zusammen, erklärt er. Der Garten habe kleinere Ausmaße als der Neuoelsnitzer, aber das Prinzip sei das Gleiche. Neben der Chance, über die Kinder an die Eltern als zukünftige Pächter heranzukommen, hat das Ganze für ihn auch einen wichtigen pädagogischen Effekt: „Die Kinder müssen Geduld und Ausdauer lernen, bis sie etwas ernten können."
Was in Sachsen im Kommen ist, ist deutschlandweit eher selten. „Frisch-Grün"-Chef Jürgen Thierfelder hat das Projekt kürzlich auf einer Weiterbildungsveranstaltung des Bundesverhandes in Lüneburg vorgestellt. „So etwas gibt es nur ganz vereinzelt, dass mit Kindergartenkindern gearbeitet wird", hat er erfahren. Von Vorstandsmitgliedern aus dem Kreisverband Aue/Stollberg weiß Thierfelder, dass das Vorhaben oft daran scheitert, weil sich keiner im Verein den Hut aufsetzen will, oder in der Nähe der Gartenanlage kein Kindergarten existiert. Seitens der Kindereinrichtungen gebe es offenbar auch Vorbehalte. Allerdings nicht im Kindergarten „Kastanie". Erzieherin Annett Seidel erinnert sich: „Wir waren gleich begeistert von der Idee. Das Wachsen und Gedeihen von Tieren und Pflanzen zu beobachten, passt ja auch gut ins Konzept unseres christlichen Kindergartens." So erleben die Kinder hautnah, dass alles gottgewollt und jedes wichtig ist, sagt sie. Da sie selbst begeisterte Kleingärtnerin sei, wurde sie von Anfang an zur „Chefin" der Gartenkinder. Unterstützt wird sie von Jürgen Thierfelder. Seit vergangenem Jahr ist mit Karla Morgenstern ein weiteres KGV-Mitglied im Lehr-Garten aktiv.
Projekt macht Neugier auf Natur
Immer Dienstag ist Gartentag, und jedes Jahr ist die „Früchtchen" Gruppe die Gartengruppe. Das sind jene Kinder, die im Folgejahr in die Schule kommen, erklärt Kindergartenchefin Caroline Schäfer. An diesem Dienstag war nach dem traditionellen Obstfrühstück vor allem Sonnenblumenpflanzen angesagt. Während jeweils zwei Kinder gemeinsam mit Annett Seidel ihre vorgezogenen Pflänzchen in die Erde bringen, erntet ein anderes Grüppchen mit Karla Morgenstern Schnittlauch. Und vier Kinder sind mit Jürgen Thierfelder in der Anlage unterwegs. Durch große Folienlupen schauen sie sich Pflanzen näher an, beobachten Weinbergschnecken und statten dem Insektenhotel einen Besuch ab. Man wolle „Neugier wecken, Natur zu erleben", steht in der Vereinbarung. Das gelingt offenbar trefflich.
Die Unterstützung im Verein für das Projekt sei groß, sagt Thierfelder. Die Blumen für den Strauß, den die Kinder jeden Dienstag in ihrer Sitzecke vorfinden, darf er in den Gärten zusammen suchen. Und mancher Gärtner lasse ihm Obst, Gemüse oder Gummibärchen für die Gartenkinder zukommen. Pavillon und Sitzecke gibt es übrigens erst seit vergangenem Jahr. 8ooo Euro war das Projekt dem Landwirtschaftsministerium und dem LSK wert, die es auf diese Weise förderten.
FOTO oben: Florentine (links) und Ashley haben in dieser Woche ihre daheim vorgezogenen Sonnenblumenpflanzen in die Erde gebracht. Jede wird mit einem Namensschild versehen, sodass die Kinder in den kommenden Wochen „ihre" Blume hegen und pflegen können. FOTO: ANDREAS TANNERT
Freie Presse vom 16. Mai 2011