Was wird aus dem Erbe des Kohlereviers?
Immer weniger frühere Steinköhler können mit Enkeln ins Bergbaumuseum kommen - Andere attraktive Wege der Wissensweitergabe gesucht VON RONNY SCHILDER Oelsnitz. Google-Suche im Internet nach dem Wort „Bergbaumuseum": 175.ooo Treffer. Aber das Bergbaumuseum Oelsnitz erscheint auf Seite I gleich an dritter Stelle. Wer also im Internet sucht, kann die Oelsnitzer Einrichtung gar nicht übersehen. Dort ist sie ein Knaller. Im richtigen Leben hat das Museum noch Vermarktungsreserven. Jan Färber, seit einem Jahr der Leiter der Einrichtung, meint, dass die Inszenierung geschickter werden muss, um mehr Gäste anzulocken. Da nicht jeder Besucher heutzutage das Studium von Texttafeln als Erlebnis empfinde, sei das Museum mit dem Rundbau, in dem es sogar einen dreidimensionalen Steinkohlenwald zu sehen geben wird, auf dem richtigen Weg. Alleinstellungsmerkmale wie Sachsens größte funktionstüchtige Dampfmaschine, die bei jedem Rundgang vorgeführt wird, will Färber mehr als bisher bekannt machen. Dass der Untertagebereich von Menschen jeden Alters besucht werden darf- in Schaubergwerken ansonsten unüblich -, sei selbst unter den Oelsnitzem und Lugauern noch zu wenig bekannt. Dabei sind die Einheimischen für die Gästewerbung des Museums eine entscheidende Größe. Bei einem Fachforum kürzlich im Bergbaumuseum erläuterte Manfred Böhme, Chef des Landestourismusverbandes (LTV), dass ein bedeutender Anteil des Tages- und Städtetourismus auf Verwandten- und Bekanntenbesuche zurückzuführen sei. Dem „Sofatourismus" werden aktuell 32 Prozent der Tagesreisen zugerechnet. Jeweils elf Prozent der Tagestouristen suchten Attraktionen oder Veranstaltungen auf. Die Reserven der Oelsnitzer bei der Inszenierung des Museums teilen sie mit anderen sächsischen Attraktionen im ländlichen Raum. Der Landestourismusverband hat laut Böhme festgestellt, dass viele Einrichtung zwar fachlich hochwertig, aber zu wenig touristisch ausgerichtet seien. Im Jahr 2020 sei jeder zweite Reisende in Sachsen über 6o Jahre alt. „Darauf sind wir noch nicht vorbereitet", vermutet LTV-Chef Böhme. Das Oelsnitzer Bergbaumuseum versucht derzeit, einen strukturierten Überblick über die Herkunft und Motivation seiner Gäste zu bekommen, um den eigenen Standort in der sich verändernden Tourismuslandschaft zu verorten. Die Generation der Steinköhler, die aus eigenem Erleben das Lugau-Oelsnitzer Revier kennt und sich aktiv engagiert, um Kinder und Enkel damit vertraut zu machen, schmilzt langsam dahin. Was wird aus dem Revier-Erbe, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt? Beim Tourismusforum sagte Jan Färber provokativ: „Stellen Sie sich nur einen Augenblick ein Erzgebirge ohne Bergparaden, traditionelles Handwerk oder Bergbauzeugnisse vor." Auch wenn Jan Färber darauf hinweist, dass die Aufgabe der Museen nicht primär darin zu suchen sei, touristische Attraktion zu sein, müssen die Besucher stärker ins Visier genommen werden. „Das Bergbau-Erbe ist kein trockener Bestandteil der Regionalgeschichte, sondern eine Chance für die Region." Die Steinkohle könnte zu einem Alleinstellungsmerkmal unter der Dachmarke des Erzgebirges entwickelt werden, regte Färber an. Im Tourismusverband Erzgebirge entsteht derzeit unter der Leitung des Landrats Frank Vogel (CDU) ein Konzept, das fünf bis sechs Schwerpunkte benennen soll, auf die sich die Vermarktung des Erzgebirgstourismus konzentriert. |
Das Bergbaumuseum Oelsnitz will auch für künftige Generationen ein attraktives Besichtigungsziel bleiben.
-FOTO: MATTHIAS HEINKE DAS STICHWORT Eine internationale Studenten-gruppe hat im Sommer Stärken und Schwächen des Steinkohlereviers als Touris-musregion untersucht. Pluspunkte sammelten die Infrastruktur, die Authentizität der Landschaft, das Netz der Lehrpfade und das ehrenamtliche Engagement. Bemängelt wurde das Fehlen von Radwegen und fremdsprachigen Informationen, eine nicht ausreichende Beschil-derung und eine zu starke Fokussierung auf technische Details. |
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Die Traditionspflege im Lugau-Oetsnitzer Steinkohlerevier steht mit dem zunehmenden Alter der Zeitzeugengeneration vor neuen Herausforderungen. Das selbst schon historische Foto vom 7. Januar 2004 zeigt die Enthüllung des Gedenksteins für Karl Gottlob Wolf, den Wegbereiter der Steinkohlen-förderung in der Region, an der Ortsgrenze Niederwürschnitz-Neuoelsnitz.
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